Wechselwirkungen
Auf der vorherigen Seite habe ich erklärt, wie sich die drei wichtigsten Parameter an jeder Kamera bezüglich der Belichtung beeinflussen.
Doch die korrekte Belichtung ist lediglich nur ein; wenn auch wichtiger; Aspekt für ein gelungenes Foto. Wir möchten auch scharfe Fotos, jedoch manchmal lediglich nur bestimmte Bereiche eines Foto welche scharf sein sollen und andere Bereiche sollen explizit unscharf werden.
Andere Fotos sollen durchgängig scharf sein und in wiederum anderen Situationen wollen wir eine Unschärfe, welche durch Bewegung des Motives entstehen soll.
Um all diese Effekte zu realisieren, haben wir prinzipell lediglich die drei schon bekannten Parameter zur Verfügung.
Die Wechselwirkungen beeinflussen nämlich nicht nur die Belichtung, sondern auch die Schärfe der Fotos. Eine kurze Belichtungszeit verhindert Bewegungsunschärfe, weswegen wir bei einer 1/4000 s auch einen Rennwagen in der Kurve noch "einfrieren" können, er also scharf wirkt. Allerdings werden wir dabei kaum abblenden können, so dass die Schärfentiefe gering sein wird, was zu folge hat, dass wir genau zielen müssen, damit genau der Bereich im Foto scharf wird, der uns am wichtigsten ist.
Anders gesagt, wir müssen uns entscheiden was uns bei der nächsten Aufnahme am wichtigsten ist, denn alles gleichzeitig ist meistens nicht möglich, weil die bereits vorgestellte Wechselwirkung das verhindert. Entweder schnelle Zeiten oder hohe Schärfentiefe.
Meistens fehlt uns Licht für die Umsetzung unserer (besonderen) Vorstellungen, jedoch ist es manchmal auch umgekehrt, es gibt zuviel Licht. Nämlich dann, wenn wir mit einem sehr lichtstarken Objektiv (hohe Offenblende) ein Portrait machen wollen und so das Model vom Hintergrund freistellen möchten, obwohl die Sonne hell scheint und das Foto überbelichten würde. Dafür gibt es neutrale Graufilter Filter, welche das zuviel an Licht "schlucken" können, damit wieder die Einstellungen möglich werden, welche wir verwenden möchten.
Kompromissbehaftet
Es sind immer einfache Wahrheiten
Es scheint alles sehr kompliziert zu sein und das stimmt auch, wenn wir uns in die scheinbar unzähligen Details und technischen Möglichkeiten unserer Kameras verlieren.
Die einfache Wahrheit ist jedoch, dass die Fotografie immer lediglich eine Kompromissentscheidung ist.
Wir müssen uns lediglich entscheiden, welchen Aspekt meiner möglichen Effekte ich herausstellen möchte. Wie stark ein Effekt ausfällt hängt von der Kamera und dem Objektiv ab. Doch selbst wenn ich eine teure sehr schnelle und Lichtempfindliche Kamera mit einem teuren und sehr lichtstarken Objektiv kaufen kann, ist damit ein gutes Fotos längs noch nicht im Kasten. Denn es ist nicht einfach mit sehr lichtstarken Objektiven zum Beispiel ein Model in Bewegung dort scharf abzulichten, wo ich es gerade möchte (das zugewandte Auge zum Beispiel), denn die Schärfentiefe wird hier sehr gering, was auf der einen Seite zwar hervorragende Freistellungsleistungen ermöglicht, jedoch auch nicht trivial umzusetzen ist. Abgesehen von den hohen Kosten, ist solch ein Objektiv auch deutlich schwerer als weniger lichtstarke Objektive. Ich möchte damit sagen, dass es auch hier auf der rein betriebswirtschaftlichen und physischen Ebene eine Kompromissentscheidung ist, welche Ausrüstung und (später) welche Einstellungen ich wähle.
So ziehen sich Kompromisse durch das gesamte Hobby. Was leiste ich mir und was möchte ich damit bewirken. Meine Erfahrungen sind, dass es gute Ausrüstung (Kamera und Objektive) für überschaubare Investitionen gibt.
Doch erst mal wieder zurück zu den fotografischen Kompromissen.
Es beißen sich immer unterschiedliche Einstellungen
Schnelle Zeiten = geringere Schärfentiefe
Große Schärfentiefe = kurze Zeiten
Natürlich gibt es Möglichkeiten die Grenzen dieser physikalischen Gesetzmäßigkeiten zu verschieben, in dem ich zum Beispiel eine höhere ISO Einstellung wähle um noch bei wenig Licht eine höhere Schärfentiefe zu ermöglichen. Bei ISO 800 kann ich zum Ausgleich 3 Stufen mehr abblenden, jedoch wird die Schärfe des Fotos insgesamt dadurch vielleicht schon geringer ausfallen und es werden vielleicht schon Spuren von Rauschen zu sehen sein; je nach Aufnahme- und Lichtsituation beim Fotografieren. Wären hier keine Kompromisse nötig, würden wir nichts beachten müssen... und könnten immer unabhängig der gewählten Einstellungen immer höchste Qualitäten erzielen. Doch die einfache Wahrheit lautet, dass jede Einstellung immer neben den Vorteilen auch gewisse Nachteile mit sich bringt.
Unter ISO 100 entstehen kräftigere und schärfere Fotos als unter ISO 3200. Immer, egal mit welcher Kamera.
Offenblende bei beispielsweise f1,8 liefert insgesamt immer ein unschärferes Fotos, als es mit dem selben Objektiv bei f 5,6 der Fall ist.
Längere Belichtungszeiten bedeuten unter Umständen Bewegungsunschärfe (bewegende Äste, bewegende Motive) oder Unschärfe, weil sich der Fotograf bewegt.
Längeren Belichtungszeiten kann ich jedoch auch mit Stabilisatoren ("Stabis") in dem Objektiv oder in der Kamera entgegen wirken.
Damit ist es möglich, mindestens 3 Stufen länger zu belichten, als es ohne Stabi möglich wäre. Kameras und Objektive der Oberklasse leisten auch durchaus bis zu 7 Stufen.
Bewegungsunschärfen des Motivs kann ich damit allerdings ebenfalls nicht ausgleichen, nur eine unruhige Hand kompensiert dies.
Oft sind die Kameras und Objektive sehr schwer und der Fotograf ermüdet dadurch auch schneller und hält nicht mehr die Kamera so ruhig wie er müsste, auch dafür ist das natürlich sehr gut.
Abschliessend kann man sagen, dass die Kunst für ein "optimales" Foto darin liegt, die optimalen Einstellungen im Rahmen seiner Kamera- und Objektiv-Möglichkeiten zu wählen.
Jetzt denken bestimmt viele, "Klar, was soll sonst die Kunst beim Fotografieren ausmachen?", jedoch wird dies oft nicht von Anfängern bedacht, sondern einfach auf Vollautomatik fotografiert. Das funktioniert auch oft sehr gut, jedoch sind die Ergebnisse dann eher durch Zufall schön geworden und selten geplant so wie man sich das vorgestellt hat.
In den Automatiken zu Fotografieren macht dennoch viel Sinn, wie wir noch sehen werden.
Durch die Automatiken können wir uns mehr auf das Motiv konzentrieren und auf die Lichtsituation sowie den unter Umständen weiteren Faktoren kümmern, welche vielleicht gerade in der Ausnahme-Situation zugegen sind.
Automatiken sind vor allem sehr genau und sehr schnell. Verändert sich irgendwas in der Belichtungssituation (Schatten durch Wolken, vorbei fahrenden Fahrzeugen, etc.), reagieren Automatiken quasi in Echtzeit. Kein Mensch kann dies so schnell registrieren und erst recht nicht so schnell reagieren, also Gegensteuern.
Dies hängt natürlich auch wiederum von der Art der Fotografie und Aufnahmesituation ab. Eine Landschaftsaufnahme mit einem Superweitwinkel ist nicht so empfindlich was die Einstellungen angeht, wie zum Beispiel eine Portraitaufnahme mit einem mittleren Tele-Objektiv.
Auf der Seite mit den Objektiven gehe ich auch auf diese Aspekte ein.
Ein weiterer Aspekt spielt bei mir auch eine Rolle, der "sportliche" Aspekt. Möchte ich wirklich Fotos machen können, die per se immer optimal sind, weil die Automatik perfekt funktioniert und die Ergebnisse immer perfekt sind?
Ich nicht, denn das ist auch ein Teil meiner Definition von "Hobby", die Möglichkeit über Jahre hinweg sich immer weiter steigern zu können und vor allem nicht den Spaß daran zu verlieren. Das Maximum irgendwann durch Technik zu erreichen ist das Ende meines Hobbys.
Zwischenstufen
Alles bisher gesagte bezog sich auf ganze Stufen oder Lichtwerte (LW), welche natürlich auch noch unterteilt werden können. Oft sind diese Stufen gedrittelt, können also in 1/3, 2/3 oder 3/3 einer Stufe eingestellt werden. Manche Kameras unterteilen noch mehr, was jedoch in der Praxis wenig Sinn macht, denn es zählt ja immer die Belichtung in allen Bereichen eines Fotos und diese ist kaum genauer als zu einem drittel einer Stufe ermittel- und einstellbar.