Wie die Kamera belichtet
Begrifflichkeiten in der Fotografie wurden aus dem analogen Zeitalter ins digitale Zeitalter fast 1:1 übernommen. Der Vorteil ist dabei, dass alte Hasen nicht viel umdenken müssen, Neulinge sich vielleicht jedoch das eine oder andere mal wundern.
Zum Beispiel werden keine Filme mehr belichtet und Filme werden auch nicht mehr entwickelt, obwohl dies auch in der digitalen Sprache oft so beibehalten wurde. Die Vorgänge und Parameter sind dabei jedoch tatsächlich wie zu analog Zeiten dieselben geblieben. Heute wird lediglich ein Sensor anstatt eines (chemischen) Filmes belichtet, der fast x-beliebig oft erneut belichtet werden kann. Dabei ist lediglich wichtig, wie viel Licht durch das Objektiv gelassen werden muss, damit ein optimales Foto entstehen kann. Der Vorteil heute ist, dass wir das Ergebnis sofort nach der Fotoerstellung betrachten können und beim nächsten Versuch die Parameter anpassen können, falls wir nicht mit dem vorherigen Ergebnis zufrieden waren. Bei analogen Filmen ging dies natürlich nicht, die Belichtung und Fokussierung musste direkt sitzen, sonst war das Foto für die Tonne.
Früher hat man alle Parameter manuell eingestellt und diese mit Hilfe von Tabellen, Berechnungen oder manuellen Belichtungsmessern ermittelt, damit eine Aufnahme nicht Über- oder Unterbelichtet wurde. In Abhängigkeit von der Lichtmenge (Blende) und der Belichtungszeit, sowie der Empfindlichkeit des Sensors (früher des eingelegten Films) wird eine korrekte Belichtung erzeugt. Beim Film als auch beim Sensor reden wir von der Sättigung, welche das Belichtungsergebnis beschreibt. Ist eine Aufnahme unterbelichtet, ist der Sensor / Film nicht ausreichend gesättigt, umgekehrt spricht man von übersättigten Sensor / Film, wenn Aufnahmen überbelichtet sind. Dabei kann man sich das so vorstellen, dass gar kein Licht auf dem Sensor auch kein Signal beinhaltet (ungesättigt) und eine völlige Überbelichtung (quasi Weiß) eine maximale Sättigung darstellt. Das optimale Ergebnis ist irgendwo dazwischen.
Manuell zu belichten ist zwar noch möglich, macht jedoch in der "normalen" Fotografie gerade für Anfänger weniger Sinn damit zu starten (Ausnahmen sind Langzeitaufnahmen für manche Anwendungsfälle), weswegen ich hier direkt primär auf Automatikbelichtungen eingehe und die manuellen Eunstellungen in anderen Bereichen, wie zum Beispiel beim zusätzlichen Blitz- und Beleuchtungseinsatz.
Ich beschreibe hier in einem groben Abriss die gängigen Automatikfunktionen aller relativ modernen Kameras, egal welcher Preisklasse und welchen Kameratyps.
Belichtungsautomatiken versuchen die herrschenden (Licht)Bedingungen so zu kompensieren, dass ein Normfoto bezüglich der Belichtung entsteht. Hierbei gilt zu beachten, dass es verschiedene Automatikprogramme gibt, welche unterschiedliche Prioritäten berücksichtigen. Gemein haben jedoch alle Belichtungsautomatiken, dass sie eine Über- und Unterbelichtung zu verhindern versuchen und dabei weitere Parameter beachten.
Bei der Programmautomatik (Vollautomatik) wird alles geregelt und die Kamera übernimmt alle Einstellungen wie die Verschlusszeit, die Blendenöffnung und die ISO-Einstellung.
Bei der Blendenautomatik wird die Blende vorgewählt und die Verschlusszeit wird unter Berücksichtigung des gewählten ISO-Wertes von der Automatik berechnet und verwendet.
Bei der Zeitautomatik wird die Verschusszeit vorgegeben und die Blende wird unter Berücksichtigung des gewählten ISO-Wertes von der Automatik berechnet und verwendet.
Bei allen Werten kann bei modernen Kameras auch eine ISO-Automatik eingestellt werden, welche dann ebenfalls in die oben aufgeführten Automatiken berücksichtigt wird.
Alle diese Hauptparameter sind schon sehr alt und wurden aus der analogen Fotografie 1:1 übernommen. Auch die uralte Kamera in diesem Artikelbild bedurfter der Berücksichtigung dieser drei Hauptparameter, Blendenwahl, Verschlusszeit und Lichtempfindlichkeit. Allerdings waren die Werteskalen zu jenen Zeit völlig andere als sie es heutzutage sind. Zum Beispiel waren auf Grund schwerfälliger Kamera-Verschlüsse nur relativ lange Zeiten möglich und die Filme waren damals sehr unempfindlich, was ebenfalls sehr lange Belichtungszeiten zur Folge hatte. Auch die Lichtstärke der damaligen Objektive war nicht so hoch, wie bei modernen Objektiven, was ebenfalls zu langen Belichtungszeiten führte. Fotos ohne Stativ und lange still sitzenden Menschen waren damals nicht möglich. Freihandfotos gab es quasi nicht.
Belichtungsstufen
Verdopplung der Werte
Noch mal zur Vertiefung. Dies im Schlaf verstanden zu haben ist gut, denn später vor Ort und beim Fotografieren haben wir oft nicht Zeit darüber großartig nachzudenken, wenn wir manuell oder halbautomatisch fotografieren wollen.
Wie schon gesagt, die Werte verdoppeln oder halbieren sich immer bei einer Belichtungsstufe oder Lichtwert.
Die drei Einstellmöglichkeiten (Parameter) Blende, Zeit und ISO müssen also immer um die selbe Anzahl Stufen (LWs) verstellt werden, um den "Lichtverlust" durch die Einstellung eines Wertes (z. B. eine Blendenstufe abblenden) auszugleichen.
Also 2 Stufen abblenden bedarf 2 Stufen die Zeit verlängern oder 1 Stufe Zeit und 1 Stufe ISO oder 2 Stufen ISO anpassen.
So kommt bei 10 Stufen nicht 10 mal weniger (oder mehr) Licht am Sensor an, sondern 1024 mal soviel oder so wenig (2x, 4x, 8x, 16x, 32x, 64x, 128x, 256x, 512x, 1024x). Der Unterschied zwischen 1 s und einer 1/1000 s Belichtungszeit beträgt das 1024 fache. Ebenso kommt bei Blende f32 nur noch tausendmal weniger Licht durch das Objektiv als bei f1,0.
Und 20 Stufen bedeutet eine Millionen mal mehr oder weniger Licht (1.048.576), was in der Tabelle unten zu sehen ist, wenn wir f32 und 1/1000 s einstellen würden. Moderne Kameras können auch 1/8000 s und schnellere Zeiten, wodurch wir schnell bei acht Millionen mal weniger Licht am Sensor sind.
Probiere das mal im Manuell Modus (M) aus, stelle auf f32 (wenn Dein Objektiv das kann) und auf eine 1/1000s (oder kürzer) und mache ein Foto bei strahlendem Sonnenschein draußen (NICHT direkt in die Sonne fotografieren, es zerstört Augen und Sensoren!).
Was Du sehen wirst ist nichts, zappenduster, Schwarz, denn es kam viel zu wenig Licht auf dem Sensor an.
Jetzt wird auch klar, warum eine Blendenstufe mehr bei guten Objektiven direkt soviel mehr Geld kostet. Es lässt doppelt soviel Licht durch und zwei Blendenstufen lassen schon 4x mehr durch. Das ist der Unterschied zwischen 50mm F1,8 und 50mm F1,2 (2 Stufen = 4x mehr Licht) und der Preis ist schnell bei dem 10-fachen. Ob man dies sinnvoll nutzen kann, steht auf einem anderen Blatt und erläutere ich noch separat.
Warum müssen wir das überhaupt wissen, wenn die Automatiken das doch eh alles automatisch ausgleichen und ich dadurch keine Über- und Unterlichtungen erhalte? Nun, das erläutere ich auf den nächsten Seiten.
Weitere Aspekte
Natürlich ist dies noch nicht alles, denn das wäre auch zuuu einfach und jeder könnte mit diesen simplen Überlegungen oben per se immer Top Fotos machen.
Es geht natürlich nicht nur um korrekt belichtete Fotos, denn das übernehmen die modernen Kameras eigentlich alle sehr zuverlässig und automatisch, wenn es lediglich um die Belichtung geht.
Über- oder unterbelichtete Fotos sind eher selten das Problem.
Die Herausforderung ist vielmehr, dass man eine korrekte Belichtung hinbekommt und gleichzeitig noch die Bildwirkungen erhält, welche man sich vorgestellt hat.
Beispiel:
Wenn ich ein Portrait von jemanden machen möchte, dann möchte ich oft die Person vom Hintergrund freistellen und benötige dafür eine möglichst offene Blende (siehe Beispiele hier).
Gleichzeitig möchte ich jedoch auch Freihand fotografieren, weil das Model sich vielleicht bewegt oder wenig Licht vorhanden ist. Ich benötige in diesem Fall eine kurze Belichtungszeit.
Dies kann ich dadurch realisieren, in dem ich die Halbautomatik Blendenvorwahl (AV oder A bei den meisten Modellen) nutze und eine offene Blende vorwähle. Die Kamera stellt die passende Verschlusszeit ein.
Wenn das jetzt trotzdem nicht hinhaut, es vielleicht zu wenig Licht da ist und ich mit dem Ergebnis nicht zufrieden bin, kann ich zum Beispiel noch Licht in Form von Blitzlicht dazu holen oder; wenn ich kein Blitz dabei habe; die ISO hoch stellen, was jedoch mit einer Qualitätsminderung der Aufnahme verbunden sein kann.
Es gibt also Situationen, in denen ich die Parameter an die äußersten "Ränder" der jeweiligen Einstellungen schiebe um so das Maximale heraus zu holen.